Die Universität Basel will mit halbvollen Hörsälen den Präsenzunterricht wieder hochfahren. Die medizinische Fakultät hält ihre Vorlesungen weiterhin online ab.
Die Medizinstudierenden der Universität Basel sind genervt. Gestern Dienstag erfahren die Studenten, dass ihre Vorlesungen auch im neuen Semester online stattfinden werden. Und das, obwohl die Studentenvertretung sowie die Chefärzte des Unispitals sich brieflich mit der Bitte, Präsenzunterricht durchzuführen, an die Medizinische Fakultät gewendet haben.
Die aktuellen Rahmenbedingungen und die Entwicklung der Pandemie würden einen Präsenzunterricht nicht ermöglichen, schreibt das Studiendekanat, dem der Wunsch der Studenten nach Präsenzunterricht durchaus bewusst sei. Demgegenüber steht die Aussage der Chefärzte, dass selbst der Juristische Dienst des Universitätsspitals Basel keinen Grund sehe, den Präsenzunterricht nicht wiedereinzuführen. Die Stellungnahme der Ärzte folgte in Rücksprache mit Manuel Battegay, Chefarzt der Infektiologie und Spitalhygiene, und dem ärztlichen Direktor Jürg Steiger, die das Anliegen beide uneingeschränkt unterstützen würden. Insgesamt 44 Chefärzte unterschreiben das Anliegen und bieten gleichzeitig an, die Medizinische Fakultät mit ihrer Expertise zu unterstützen.
Bei den Studierenden fühlt man sich vom Dekanat nicht gestützt. «Vor allem nach dem Entscheid der Uni Bern, Präsenzunterricht anzubieten, ist das natürlich ein schwerer Schlag. Wir sind enttäuscht», sagt Caterina Mariani, Unterzeichnerin des Briefes und Studentin im 5. Jahr. Dass bei der Durchführung des Präsenzunterrichts ein Schutzkonzept vorliegen müsse, sei ihr klar. Doch auch dort habe man die Unterstützung angeboten, auf welche gemäss Dekanat erst in Zukunft zurückgegriffen werde. «Dass die Medizinstudenten des ersten Semesters ihre Vorlesungen vor Ort haben, zeigt ja, dass es durchführbar wäre.» Hinzu kommt: «Anfang Juli zeigten Umfragen, dass 80 Prozent meines Jahreskurses geimpft sind.»
Die Studierenden und Ärzte schreiben beide über die fehlenden sozialen Kontakte, die für die Kommilitonen auf psychischer sowie Netzwerkbasis immens wichtig seien. «Auch die Ausbildung leidet darunter», sagt Mariani. Hinzu komme die Unlust gewisser Dozierender, Online-Unterricht abzuhalten. Des Öfteren seien sie mit dem Satz «wenn wir in Präsenz wären, dann…» abgefertigt worden, schreiben sie. Selbststudium aufgrund technischer Unfähigkeit eines Dozenten und ein weiterer, der die Studenten die Fälle in Einzelarbeit bearbeiten liess, da ihm der Online-Unterricht «zu wenig Spass» machen würde, runden die Erfahrungen der letzten anderthalb Jahre ab. Mariani sieht sich und ihre Kommilitonen gegenüber Personen in anderen Lebensbereichen benachteiligt. Dort würden die Menschen von Lockerungen wie der Rückkehr in die Büros und einer Erleichterung der Maskenpflicht profitieren. «Zumal wir die medizinischen Institutionen des Staates in Zeiten der Pandemie tatkräftig in Impf- und Testzentren unterstützt haben.» Eine Reaktion habe man zwar erhalten, auf die Anliegen wurde aber nicht richtig eingegangen.
Das Dekanat verweist in seiner Reaktion darauf, dass die Hörsaalflächen begrenzt seien, und begründet den Entscheid der Online-Vorlesungen mit der mangelnden Begünstigung der Hochschulen bei den Öffnungsschritten. Zudem hänge es auch mit der Planungssicherheit der Vorlesungen in Zusammenhang mit der Entwicklung der Pandemie zusammen. Wenn die Hybrid-Unterrichtsform bei den neuen Studenten erfolgreich sei, würde man diesen Schritt auch für die weiteren Jahreskurse in Erwägung ziehen.
Bei der Uni Basel ist man sich der Online-Vorlesungen der medizinischen Fakultät bewusst, Präsenzunterricht solle es aber bei Gruppenarbeiten geben. «Vor allem die Medizinische Fakultät hat sich für möglichst viel Präsenzunterricht ausgesprochen», sagt Uni-Sprecher Matthias Geering. So habe man in Zusammenarbeit mit allen Studiendekanen und unter Einbezug der studentischen Körperschaft Skuba die Rahmenbedingungen für den Herbstsemesterstart ausgearbeitet. «Diese sehen vor, dass der Präsenzunterricht mit Maskenpflicht und einer 50-prozentigen Belegung der Hörsäle durchgeführt werden kann.» Die Universitätsleitung lege grossen Wert darauf, dass die Dozierenden wo immer machbar auch Präsenzanteile ermöglichen. Laut Bundesratsbeschluss dürften die Hörsäle zwar bis zu zwei Drittel besetzt werden, die Uni Basel setzt aber auf die 50-Prozent-Regelung. «Die anderen Fakultäten der Universität folgen diesem Beispiel», sagt Geering. «Dieses Szenario können wir auch über längere Zeit so durchführen.»