Während Arlesheim als Spielort des Stimmen-Festivals abgesagt wird, sollen die Basler Open Airs stattfinden.

Irritation. Das beschreibt das Gefühl am besten, das die Medienmitteilung des Stimmen-Festivals vom letzten Freitag hinterlässt. In teils sibyllinischen Sätzen sagen die Veranstaltenden Arlesheim als Spielort der Ausgabe 2022 ab. Der Grund: «Nicht kalkulierbare Preissteigerungen in Produktion und Technik, zusammen mit den unabsehbaren Verkaufszahlen.» So heisst es in der Mitteilung. Dies notabene zwei Wochen vor den beiden Konzerten, die in Arlesheim hätten stattfinden sollen. Zur Erinnerung: Bereits im vergangenen Jahr forderten die «Stimmen»-Organisatoren mehr Geld von der Stadt Lörrach, das sie aber nicht erhielten.

Näher erläutern wollen die Veranstaltenden die Kurzfristigkeit der Absage nicht. Es sei ein Wechselspiel zwischen dem technischen Aufwand und dem Vorverkauf der Tickets, sagt «Stimmen»-Sprecher Marc Eglès. Weshalb das Konzert der österreichischen Band Bilderbuch komplett abgesagt wird, währenddessen Gaye Su Akyol und deren Support-Act Saitün am geplanten Datum in den Burghof in Lörrach verschoben werden? «Im Endeffekt ist es ein Abwägen aller Möglichkeiten gewesen. Die Geschäftsleitung hat sich dann für eine Absage des Konzerts entschieden.» Die Absage sei in gegenseitigem Einvernehmen mit der Agentur und der Band erfolgt.

Preissteigerungen waren voraussehbar

Was hat das nun für die restlichen Festivals auf regionalem Boden zu bedeuten? Folgt nun eine Absage nach der anderen? Zu spüren sind sicherlich die Nachwehen der Krise. «Es herrscht ein massiver Nachholdruck jeglicher Konzerte», sagt Alain Schnetz, Geschäftsleiter des Musikbüro Basel (vormals RFV). In der Konzertbranche mussten während der Pandemie viele Stellen abgebaut werden. «Für diese Konzerte fehlt nun das Personal, was das Ganze komplizierter macht. Und komplizierter bedeutet in diesem Fall teurer.»

Doch die Stimmen aus der Basler Konzertszene schlagen einen anderen Ton an als ihre süddeutschen Nachbarn. Gerade die Konzertfabrik Z 7, die bei zwei Veranstaltungen, den Z 7 Summernights und einer Konzertreihe in Augusta Raurica mit namhaften Künstlerinnen und Künstlern aufwartet. «Auch wir spüren, dass die Energie teurer geworden ist», sagt Sprecher Gad Fidler. Ein weiteres grosses Problem seien Vorverkaufszahlen. «Diese sind stark unter den Erwartungen geblieben», sagt er. Einziger Trost: Die Musikanlage und die Technik seien bereits im Besitz der Organisatoren.

Somit hätten sie bereits früh erkannt, dass sie mit diesen Veranstaltungen Verluste einfahren würden. «Doch für uns war von Beginn weg klar, dass wir die Veranstaltungen durchführen werden.» Damit wolle man nach der Pandemie ein Zeichen setzen.

Auch AM-Jam-Organisator Elia Mahler hat mit gewissen Teuerungen gerechnet. «Wir sind dieses Jahr aber stabil aufgestellt und werden so gut wie noch nie unterstützt.» Er und sein Festival bekämen vor allem die Basler Gratiskultur zu spüren. «Die Leute haben sich zu fest daran gewöhnt, dass Kunst und Kultur gratis ist und einem zu Füssen gelegt wird», meint er. Deswegen müsse er sich oft anhören, dass die Ticketpreise für den AM-Jam zu teuer seien. «Aber das macht nichts, wir steuern dagegen und stehen für hohe Qualität bis ins Detail.» Eine Absage des Festivals aus den von den «Stimmen»-Veranstaltenden genannten Gründen würde laut Mahler deswegen verheerend sein.

Nicht überrascht ob der Absage ist währenddessen Caroline Faust, Co-Organisatorin des Polyfon-Festivals. «In der Szene wird natürlich seit längerem über solche Szenarien diskutiert. Daher wäre Überraschtsein das falsche Wort.» Dennoch sei sie erschrocken und traurig.

Riehen und Binningen bleiben «Stimmen»-Spielorte

Ein grosses Problem sei das technische Personal: «Während der Pandemie haben sich viele umschulen lassen und fehlen jetzt. Das Wissen ist abgewandert, und bis sich eine neue Generation von Begeisterten findet, vergeht Zeit.» Momentan würden sie deswegen mehr Zeit am Handy verbringen als etwas anderes, sagt Faust. Des Weiteren seien auch die Hotelpreise und die Preise für die Infrastruktur um teilweise bis zu 100 Prozent gestiegen. «Das Budget wird beinahe täglich überprüft und gegebenenfalls angepasst. Da wo Einsparungen gemacht werden können, machen wir das.» Keine einfache Sache, wenn wie beim «Polyfon» faire Gagen, Entlöhnung und Nachhaltigkeit wichtige Faktoren sind.

Spürbar positiv gestimmt ist Summerblues-Präsident Thomas Aegerter. Trotz leicht höherer Preise sei der Kleinbasler Blues-Event durchführbar. «Wir sind auf Kurs und können uns sogar mit einer zusätzlichen Bühne präsentieren.» Dies sei aber nur dank langjähriger Sponsoren möglich.

In der Basler Nachbargemeinde Riehen sieht es auch gut aus. «Die Kulturtreppe und alle anderen Veranstaltungen des Kulturbüros Riehen können wie geplant durchgeführt werden», sagt Gemeindesprecherin Katrin Kézdi Leutwyler. Auch die «Stimmen-On-Tour»-Auftritte finden in Riehen, genauso in Binningen, wie geplant statt.