Gimha Mistkalo wurde mit dem Lehrlingsaward ausgezeichnet. Mit harter Arbeit und viel Fleiss baut er sich ein Leben in der Schweiz auf.
Gimha Mistkalo ist ein Vorzeigelehrling. Keinen Tag hat er auf der Baustelle gefehlt, durch seine Arbeit erreichte er die Note 5 und war somit der Beste seines Jahrgangs. Seine Leistungen verhalfen ihm zusätzlich zu einer verkürzten Strassenbau-Lehre für das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis (EFZ), die er nun begonnen hat. Diese dauert statt der normalen drei nur zwei Jahre. «Es macht mir Spass zu arbeiten», sagt Mistkalo, während er an seiner Marlboro Rot zieht. Trotz seines prämierten Lehrabschlusses gibt er sich scheu und demütig. Er muss lachen, als er von der Prämierung erzählt: «Das habe ich so nicht erwartet. Ich habe gedacht, dass sicher der eine oder andere KV-Lehrling vor mir abschliessen würde», erzählt der 20-Jährige.
Dass es ihm Spass macht, sieht man beim Betreten der Baustelle. Leichtfertig hantiert er in einem Dohlenschacht, für ein Gespräch muss man ihn fast zwingen, die Arbeit niederzulegen. Ein richtiger Bilderbuchbüezer. Doch dass Mistkalo mit solchem Eifer diesen Dohlenschacht in Riehen bearbeitet, ist alles andere als selbstverständlich. Der 20-Jährige hat in seinem jungen Leben nämlich schon einiges durchgemacht. Denn Gimha Mistkalo ist nicht der klassische Dorfjunge aus Wahlen. Gimha Mistkalo ist aus Syrien und musste in jungen Jahren flüchten.
Ein Dorf an der türkischen Grenze nahe Aleppo, wir schreiben das Jahr 2015. Laut Mistkalo fürchteten sich seine Eltern davor, dass er vom syrischen Militär für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) eingezogen werden könnte. Deshalb hätten sie ihn in Begleitung eines Onkels auf die Fluchtreise geschickt, erzählt der Strassenbaulehrling. So sei er am Arm seines Onkels via die Türkei übers Mittelmeer nach Griechenland geflüchtet. Auf dem weiteren Weg durch Ungarn habe er diesen verloren. Zusammen mit zwei fremden Männern sei er danach bis in die Schweiz gekommen.
Nach einem kurzen Aufenthalt im Asylzentrum in Basel kommt Mistkalo zu einer Pflegefamilie in Wahlen. Ein Glücksfall für ihn, der so gar kein Stadtmensch ist: «Da ist es mir viel zu laut», sagt der 20-Jährige. Die Sekundarschule besucht er in Zwingen, ein harziger Beginn für ihn, der weder die Sprache beherrscht noch jemanden kennt. Eine Umgewöhnung für ihn, der sich bis zu diesem Zeitpunkt auf Kurdisch und Arabisch unterhielt. «Ich wurde komplett ins kalte Wasser geworfen. Deshalb war es mir wichtig, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen.» Unterstützung erhält Mistkalo hier von seiner Pflegefamilie. Seine Pflegemutter habe ihm sehr früh Sätze vorgelegt, die er mit Hilfe von Google Translate übersetzen konnte. Eineinhalb Jahre später spricht er Deutsch, mittlerweile unterhält er sich auf Schweizerdeutsch mit seinen Kollegen.
Dass er 2018 seine Lehre als Strassenbauer EBA, eine zweijährige berufliche Grundausbildung bei der Firma Terraluk AG, beginnt, war nicht immer klar. «Eigentlich wollte ich Schreiner werden. Das ist praktisch, man kann sich Möbel für zu Hause selbst machen.» Doch die Schnupperwochen hätten ihm gezeigt, dass das nicht sein Berufsfeld sei. Zu viel Millimeterarbeit, wofür er zu wenig Geduld habe. «Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch», sagt er und grinst. «Deshalb bin ich auch froh, wenn auf der Baustelle alles passt und beim ersten Mal klappt.» Und das tut es zumeist auch. Freude an seinem Job hat Mistkalo, wenn er einbauen kann: «Belag, Steine und Kies einbauen, das bereitet mir Freude.» Wenn es um den Abbruch geht, rümpft er die Nase ein wenig: «Aber damit habe ich zum Glück nicht viel zu tun.» Zusätzlich besucht er einmal pro Woche einen Stützkurs, der von der BLKB mit ihrem Projekt «Jobs for Juniors» unterstützt wird.
2020 kommt der Lohn für die harte, fehlstundenlose Arbeit in Beruf und Schule. Mistkalo wird mit dem Lehrlingsaward des Lehrbetriebsverbundes (LBV) ausgezeichnet, darf seine EFZ-Lehre als Strassenbauer in verkürzter Form, also in zwei statt drei Jahren, antreten. Sein Geheimrezept: «Ich arbeite einfach gerne und bleibe nicht zu Hause, wenn ich mal ein wenig Kopfschmerzen habe.»
Den Kontakt mit der Familie konnte Mistkalo beibehalten. Ein halbes Jahr habe es gedauert, mittlerweile höre man sich praktisch wöchentlich. «Zu Beginn hatte ich kein Handy, meine Eltern auch kein Telefon.» Nach Abschluss seiner EFZ-Lehre will sich Mistkalo nun sein Leben in der Region aufbauen. Was klar ist: «Ich mag die Region sehr, aber in die Stadt würde ich nie ziehen.» Eine Frau kennen lernen, ein schönes Haus bauen, das seien seine Ziele. «Und ein tolles Auto», fügt er lachend an. Trotz der anderen Mentalität – «in meinem Dorf in Syrien kannte sich jeder, hier sind alle mehr für sich selbst» – fühlt sich Gimha Mistkalo sehr wohl in der Schweiz. «Mir gefallen die blühenden Bäume und vor allem auch die Sicherheit. Die Menschen halten sich an Regeln.»